Terrorismusbekämpfung als ethische Herausforderung – Probleme einer Antiterrorismusethik (ATE) Forschungsprojekt Terroranschlag auf das World Trade Center in New York, am 11. September 2001. © AP Anlage und Ausgestaltung des Projekts standen unter einer doppelten Prämisse. Zum einen sollte es sich nicht erschöpfen in einer Bestandsaufnahme – Analyse und Evaluation – aktueller diskussionswürdiger Versuche ethisch begründeter Bekämpfung des (transnationalen) Terrorismus. Geht es doch hier zuletzt nicht nur um Ethik, sondern auch um den Terrorismus (T), nicht nur um Philosophie, Theologie oder Recht, sondern ebenso um interdisziplinär erzeugtes Sachwissen. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl seriös gehandelter T-Definitionen und -Verständnisse Legion ist, dass jede Definition von T dessen ethische Beurteilung zumindest präjudiziert und dass jede überzeugende Form von Antiterrorismus (AT) notwendigerweise auf einem überzeugenden Verständnis von T beruht, bleiben vielfältige Untersuchungen unerlässlich. Geht es einmal um die interdisziplinär gesicherte, zumindest plausibilisierte Konstitution des Untersuchungsgegenstandes T, so hat diese doch ihr Umwillen in der Begründung dessen ethisch angemessener Behandlung. Hier, und das ist die zweite Vorgabe, verweist das Projekt auf einen sozialethischen Referenzrahmen, den die Bischofsworte „Gerechter Friede“ (2000) und, zumal und hierauf aufbauend, „Terrorismus als ethische Herausforderung. Menschenwürde und Menschenrechte“ (2011) in wichtigen Teilen abgesteckt haben. Die ATE des letzten Dokuments ist dem (neuen) Leitbild des „gerechten Friedens“ verpflichtet, erkennt in Menschenwürde und Menschenrecht ihr Wertefundament und in der Forderung nach Gewaltprävention ihre friedensethische Zentralmaxime. Recht sei die zentrale Ressource der Gewaltprävention wie der Gewaltbekämpfung; der akute Kampf gegen T müsse mit justiziell-polizeilichen Mitteln, dürfe nur im äußersten Notfall mit militärischen Mitteln geführt werden; langfristig helfe gegen T nur eine Beseitigung der Hass und Gewalt provozierenden Grundursachen bzw. eine Politik grundsätzlicher Korrekturen mangelhafter politischer und sozialer Systeme. Von großer Bedeutung seien interreligiöse Dialoge, die dem Terror-Ziel religiöser Verfeindung entgegenwirken und der gemeinsamen Absage an religiös begründete T-Gewalt lebensweltliche Überzeugungskraft verleihen sollten. Die ATE des Bischofspapiers darf als ein konsistenter und ethisch wie politisch verteidigungswürdiger Beitrag gelten. Als solcher aber kann er weder das einzige noch das letzte Wort sein, da er im Grundsätzlichen wie in Details Fragen provoziert und auf weitere zu Beginn angesprochene Recherchen angewiesen ist. So sollten wir etwa bedenken, – dass die Ethik des gerechten Friedens für eine überzeugende antiterroristische Ordnungspolitik steht, noch dazu mit langem Atem und weitem konzeptionellen Ausgriff, dass aber darum über Gehalt, Reichweite und mögliche relative Vorzüge weiterer ethischer Beiträge nichts ausgemacht ist; – dass auf der prinzipiell begrüßenswerten Präventionsagenda sehr grundsätzlich wie je kontextspezifisch anzugehende Probleme warten; – dass sowohl die Verhältnisse religiöser, zumal islamistischer Überzeugungen zu terroristischen Praktiken weiterer Aufklärung bedürfen wie unterkomplexe Annahmen über die wechselseitige Gewalt- und Friedensbereitschaft unterschiedlicher Kulturen; – dass ein nachhaltig glückender AT nicht nur abhängen dürfte von der praktisch durchgesetzten Kritik der Terroristen, sondern auch von der (im Bischofstext mehrfach eingeforderten!) Selbstkritik der Terrorisierten! Die angedeuteten Anforderungen einer normativ wie politisch überzeugenden ATE glaubt das Projekt durch eine dreifache inhaltlich-methodologische Akzentuierung befördern zu können: – konflikttheoretisch: „T“ bezeichnet primär ein – gewalttätig entgleisendes – Sozialverhältnis und keine Eigenschaft oder Attitüde von Akteuren; – historisch-genealogisch: Dieses Verhältnis muss in seinem Gewordensein, hinsichtlich sowohl der zum Tragen gekommenen Kräfte und Entwicklungen wie der verpassten Möglichkeiten, erfasst und gewürdigt werden; – interkulturell-inklusiv: Lässt sich überhaupt eine ethische Beurteilung terroristischen Handelns wie antiterroristischen Gegenhaltens rechtfertigen, die ohne den `Einbezug des Anderen` bzw. der Intentionalität des terroristischen Handelns auskommen zu können glaubt? Projektleiter Prof. Dr. Hajo Schmidt