Deutsche Kommission Jusitita et Pax: Die Schutzverantwortung der Internationalen Gemeinschaft

Eine Erklä­rung zum Kon­zept der „Respon­si­bi­li­ty to Protect“

Die Deut­sche Kom­mis­si­on Jus­ti­tia et Pax hat sich ein­ge­hend mit dem ethi­schen Pro­blem der inter­na­tio­na­len Schutz­ver­ant­wor­tung („Respon­si­bi­li­ty to Pro­tect“, R2P) befasst. 

Die Grund­la­ge ihrer Aus­ein­an­der­set­zung bil­de­ten zwei Berich­te der Arbeits­grup­pe „Gerech­ter Frie­de“, die in den Jah­ren 2000 bis 2003 sowie 2010 bis 2014 erar­bei­tet und 2004 sowie 2014 ver­öf­fent­licht wur­den. Die bei­den Pro­jek­te waren ange­sto­ßen wor­den durch die öffent­li­che und wis­sen­schaft­li­che Debat­te über huma­ni­tä­re Inter­ven­tio­nen einer­seits und zahl­rei­che Mili­tär­ein­sät­ze mit unter­schied­li­cher, oft auch deut­scher Betei­li­gung. Lei­der haben die­se The­men nichts von ihrer Bedeu­tung ein­ge­büßt, im Gegen­teil. Bei­na­he täg­lich errei­chen uns Mel­dun­gen über bru­ta­le bewaff­ne­te Kon­flik­te, die beglei­tet wer­den von Ver­trei­bun­gen, Ent­füh­run­gen, Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Hin­rich­tun­gen und regel­rech­te Mas­sa­ker. Mas­sen­haft ver­su­chen Men­schen, der Gewalt zu ent­flie­hen, die ihre Hei­mat und ihre Lebens­grund­la­gen zer­stört. Die nach­fol­gen­de Erklä­rung beab­sich­tigt nicht, zu ein­zel­nen Fäl­len Stel­lung zu neh­men, son­dern will die deut­sche Öffent­lich­keit und Poli­tik an die Ver­ant­wor­tung erin­nern, die auch nicht direkt betei­lig­te oder betrof­fe­ne Län­der in sol­chen Situa­tio­nen haben. Sie beschränkt sich nicht auf die Fra­ge nach einem mili­tä­ri­schen Ein­grei­fen oder Waf­fen­lie­fe­run­gen, spitzt sich dar­in aber zu. Indem sie den Ertrag ihrer Erör­te­run­gen ver­öf­fent­licht, hofft die Kom­mis­si­on, einen hilf­rei­chen Bei­trag zu einer Dis­kus­si­on zu leis­ten, die sie für drin­gend gebo­ten hält. Die umfas­sen­de­re The­ma­tik einer ver­ant­wort­li­chen Frie­dens­po­li­tik und ihrer Instru­men­te als Rah­men für die Fra­ge nach der inter­na­tio­na­len Schutz­ver­ant­wor­tung tritt hier in den Hin­ter­grund, klingt aber immer wie­der an.

Die Interventionsdebatte als Hintergrund

In der Prä­am­bel zur All­ge­mei­nen Erklä­rung der Men­schen­rech­te vom 10.12. 1948 wird als Haupt­grund für ihre Ver­ab­schie­dung die „Ver­ken­nung und Miss­ach­tung der Men­schen­rech­te“ genannt, die „zu Akten der Bar­ba­rei führ­ten, die das Gewis­sen der Mensch­heit tief ver­letzt haben“. In ver­gleich­ba­rer Wei­se haben seit den 90er Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts erschre­cken­de Erfah­run­gen im Zusam­men­hang mit einer Rei­he von bewaff­ne­ten Kon­flik­ten zum Bei­spiel im frü­he­ren Jugo­sla­wi­en, in Ruan­da oder im Sudan die Idee der so genann­ten huma­ni­tä­ren Inter­ven­ti­on zum The­ma von inter­na­tio­na­ler Poli­tik und Völ­ker­recht gemacht. Es folg­ten tat­säch­lich zahl­rei­che Mili­tär­ein­sät­ze, zunächst im Koso­vo, in Soma­lia, spä­ter etwa in Liby­en, Mali oder im Kon­go, bei denen manch­mal die Gren­ze zwi­schen Frie­dens­er­hal­tung („Peace­kee­ping“) und Frie­dens­er­zwin­gung („Peace­in­force­ment“) flie­ßend wur­de. Hier­zu­lan­de wur­den sie von teil­wei­se hef­ti­gen Kon­tro­ver­sen beglei­tet, in denen unter­schied­li­che Beden­ken und nicht sel­ten grund­sätz­li­che Ein­wän­de vor­ge­tra­gen wur­den. Die Kri­tik stützt sich meist auf völ­ker­recht­li­che Argu­men­te, beschwört die Gefahr des Miss­brauchs oder äußert strik­te mora­li­sche Ableh­nung. Unbe­streit­bar gelang es nicht, den Wider­spruch von Sou­ve­rä­ni­täts­prin­zip und Men­schen­rechts­schutz zu Guns­ten eines klar gere­gel­ten Ein­griffs­rech­tes zu behe­ben. Dazu bedürf­te es eines neu­en inno­va­ti­ven Denk­an­sat­zes. – Wis­sen­schaft­li­che Stu­di­en, in denen Ver­lauf und Fol­gen von Inter­ven­tio­nen ana­ly­siert wur­den, mah­nen auf jeden Fall zur Vor­sicht und war­nen vor über­höh­ten Erwar­tun­gen. Sorg­fäl­ti­ge und trans­pa­ren­te Pla­nung, koor­di­nier­tes Vor­ge­hen und fort­lau­fen­de Kon­trol­le und Kor­rek­tu­ren gehö­ren zu den Erfolgs­be­din­gun­gen von Mili­tär­ein­sät­zen. Die For­schungs­er­geb­nis­se bestä­ti­gen nur bedingt die immer wie­der ins Feld geführ­te Behaup­tung, die Anwen­dung von mili­tä­ri­scher Gewalt erzeu­ge stets neue Gewalt. In vie­len Fäl­len hat sie die Situa­ti­on wirk­lich beru­higt und gehol­fen, die Gewalt­spi­ra­le zu unter­bre­chen. Die Erfah­rung spricht zudem dafür, Inter­ven­tio­nen bes­ser mit star­ken und über­le­ge­nen, min­des­tens aber aus­rei­chen­den Kräf­ten zu begin­nen anstatt sie unter Umstän­den spä­ter auf­sto­cken zu müs­sen. Sie zeigt vor allem, dass die Chan­cen einer erzwun­ge­nen Gewalt­un­ter­bre­chung über kurz oder lang ver­spielt wer­den, wenn nicht mit glei­chem Ein­satz in den Auf­bau einer sta­bi­len Zivil­ord­nung inves­tiert wird.

Der Grundgedanke der Schutzverantwortung

Die Inter­ven­ti­ons­de­bat­te litt von Anfang an dar­an, die Auf­merk­sam­keit auf das Mili­tä­ri­sche zu kon­zen­trie­ren und die zivi­le Sei­te weit­ge­hend aus­zu­blen­den. Das Kon­zept der inter­na­tio­na­len Schutz­ver­ant­wor­tung erwei­tert dem­ge­gen­über das Blick­feld und bet­tet das Instru­ment des Mili­tär­ein­sat­zes in einen umfas­sen­den frie­dens­po­li­ti­schen Rah­men ein. Es grün­det auf einer ver­än­der­ten Sicht der Rol­le staat­li­cher Sou­ve­rä­ni­tät: Wäh­rend aus ihr in der Ver­gan­gen­heit allein das Ver­bot abge­lei­tet wur­de, sich von außen in die inne­ren Ange­le­gen­hei­ten eines Staa­tes ein­zu­mi­schen und unter die­ser Vor­aus­set­zung die Idee huma­ni­tä­rer Inter­ven­ti­on stets dem Ver­dacht aus­ge­setzt war, gegen das Völ­ker­recht zu ver­sto­ßen, ver­bin­det das Kon­zept inter­na­tio­na­ler Schutz­ver­ant­wor­tung den Sou­ve­rä­ni­täts­ge­dan­ken mit der Pflicht des Staa­tes, die Sicher­heit sei­ner Bür­ger und Bür­ge­rin­nen zu gewähr­leis­ten und sie vor schwe­rer, gegen eine gro­ße Zahl von Men­schen aus­ge­üb­te Gewalt zu schüt­zen. Kommt ein Staat die­ser Ver­pflich­tung nicht nach, ent­we­der aus Schwä­che oder weil die Regie­rung ihre eige­ne Bevöl­ke­rung ter­ro­ri­siert oder Tei­le von ihr aus­zu­rot­ten droht, dann hat die Völ­ker­ge­mein­schaft grund­sätz­lich das Recht, den Opfern bei­zu­ste­hen, not­falls auch mit mili­tä­ri­scher Gegen­ge­walt. Bewusst ist dabei von mora­li­scher und poli­ti­scher Ver­ant­wor­tung („respon­si­bi­li­ty“) die Rede, nicht von einer zwin­gen­den Rechts­pflicht („duty“). Die­se Ein­schrän­kung trägt der Tat­sa­che Rech­nung, dass die Staa­ten noch nicht durch eine gemein­sa­me Rechts­ord­nung ver­bun­den sind, die durch aner­kann­te Orga­ne geschützt und durch­ge­setzt wird. Das muss aber ein wich­ti­ges Ziel inter­na­tio­na­ler Poli­tik blei­ben. Der mora­li­schen und poli­ti­schen Ver­ant­wor­tung aber, Men­schen in Situa­tio­nen extre­mer Not und Gefahr zu hel­fen, darf sich schon jetzt nie­mand ent­zie­hen, weder der ein­zel­ne Mensch, noch Staa­ten oder die Staa­ten­ge­mein­schaft. Daher macht auch unter­las­se­ne Hil­fe­leis­tung schul­dig, selbst wenn dazu kei­ne recht­lich bin­den­de Ver­pflich­tung besteht.

Prävention als Hauptpfeiler der Schutzverantwortung

Es wäre aller­dings ver­fehlt, die­se Ver­ant­wor­tung wie­der nur auf den Aspekt mili­tä­ri­schen Ein­grei­fens im Ange­sicht eines mög­li­chen Geno­zids zu beschrän­ken. Das Kon­zept der R2P umfasst viel­mehr drei Säu­len: neben der Inter­ven­ti­on („react“) die Kon­flikt­vor­sor­ge („pre­vent“) und die Kon­flikt­nach­sor­ge („rebuild“). Damit wird nicht bloß der Pflich­ten­ka­ta­log von Frie­dens­po­li­tik ergänzt, viel­mehr wer­den deren Prio­ri­tä­ten ver­la­gert und kon­zep­tio­nel­le Kohä­renz ver­langt. Es liegt auf der Hand, dass die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft einen Staat und sei­ne Bevöl­ke­rung, die von einem Mili­tär­ein­satz betrof­fen sind, bei der Bewäl­ti­gung der Fol­gen nicht im Stich las­sen darf. Die breit gefä­cher­te Auf­ga­be der Kon­flikt­nach­sor­ge bil­det daher einen inte­gra­len Bestand­teil der Schutz­ver­ant­wor­tung. Das gilt mehr noch für die Auf­ga­be der Prä­ven­ti­on, die zwar stän­dig beschwo­ren, aber längst nicht mit der nöti­gen Ent­schie­den­heit ver­folgt wird. Dafür gibt es eine Rei­he von Grün­den, durch­aus ein­sich­ti­ge wie durch­aus zwei­fel­haf­te. Den­noch muss Frie­dens­po­li­tik in Zukunft viel stär­ker in Prä­ven­ti­on inves­tie­ren und zivi­le Vor­sor­ge­maß­nah­men finan­zi­ell und per­so­nell ange­mes­sen aus­stat­ten. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit ver­dient dabei die Unter­stüt­zung zivi­ler Per­so­nen, Grup­pen und Insti­tu­tio­nen in gefähr­de­ten Staa­ten, die sich der Men­schen­rechts­ar­beit wid­men und ganz all­ge­mein dem Auf­bau rechts­staat­li­cher und gemein­wohl­ori­en­tier­ter Strukturen.

Schutzverantwortung als Baustein künftiger Weltordnung

Das Hir­ten­wort der deut­schen Bischö­fe „Gerech­ter Frie­de“ aus dem Jahr 2000 hat das Gewicht prä­ven­ti­ver Poli­tik nach­drück­lich betont, ein Jahr spä­ter hat im poli­ti­schen Raum die von Kana­da ein­ge­rich­te­te Inter­na­tio­nal Com­mis­si­on on Inter­ven­ti­on and Sta­te Sov­e­reig­ni­ty (ICISS) unter dem Titel Respon­si­bi­li­ty to Pro­tect erst­mals aus­führ­li­che kon­zep­tio­nel­le Über­le­gun­gen ent­wi­ckelt. Sie gab den Anstoß für ent­spre­chen­de Debat­ten und Stu­di­en im inter­na­tio­na­len Recht, in deren Kon­se­quenz sich in den Ver­ein­ten Natio­nen eine nor­ma­ti­ve Rechts­über­zeu­gung her­aus­bil­de­te, die in die prak­ti­sche Poli­tik und in ver­schie­de­ne Reso­lu­tio­nen Ein­gang fand und bei der Begrün­dung von Man­da­ten des UN-Sicherheitsrates her­an­ge­zo­gen wur­de. Die­se Ent­wick­lung ist zu begrü­ßen, denn sie bedeu­tet, dass das Prin­zip der Nicht­ein­mi­schung in inne­re Ange­le­gen­hei­ten nicht mehr als recht­li­ches Schutz­schild benutzt wer­den kann, das es Regie­run­gen erlaubt, schwers­te Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie Völ­ker­mord, eth­ni­sche Säu­be­run­gen und ande­re Ver­bre­chen die­ser Art zu ver­üben oder sie zulas­sen zu müs­sen. Jetzt ist es mög­lich, in sol­chen Fäl­len an die Ver­ein­ten Natio­nen zu appel­lie­ren, um sie auf­zu­for­dern, geeig­ne­te Gegen­maß­nah­men zu ergrei­fen. Die Reso­lu­ti­on zur Schutz­ver­ant­wor­tung, die von der UN-Generalversammlung anläss­lich der 60-Jahr-Feier der Grün­dung der Ver­ein­ten Natio­nen im Jah­re 2005 ver­ab­schie­det wur­de, stellt eine Fort­ent­wick­lung der UN-Charta dar, die in ihrer Bedeu­tung viel­leicht nur mit der Her­aus­bil­dung der Norm „Äch­tung kolo­nia­ler Herr­schaft“ in den 1950er Jah­ren ver­gleich­bar ist. Aller­dings fehlt bis heu­te die Zustim­mung wich­ti­ger Län­der wie z.B der Volks­re­pu­blik Chi­na. Die Beden­ken man­cher Län­der des Südens, die einen Rück­fall in kolo­nia­le Bevor­mun­dung befürch­ten, müs­sen ernst­ge­nom­men wer­den. Vor allem der von Bra­si­li­en ins Gespräch gebrach­te Vor­schlag eines inter­ven­ti­ons­be­glei­ten­den Moni­to­ring („respon­si­bi­li­ty while react“) und einer Berichts­pflicht der inter­ve­nie­ren­den Staa­ten soll­te ernst­haft geprüft wer­den. Mit ande­ren Wor­ten: Auch wenn es sich bei der Erklä­rung von 2005 nicht um eine gemäß inter­na­tio­na­lem Recht bin­den­de Ver­pflich­tung han­delt, so ist sie doch von gro­ßer politisch-moralischer Bedeu­tung. Sie kann als ein wich­ti­ger Bau­stein einer zukünf­ti­gen Welt­in­nen­po­li­tik ver­stan­den wer­den, in der die Ach­tung der Men­schen­rech­te und eine rechts­staat­li­che Ord­nung als Vor­aus­set­zun­gen für einen dau­er­haf­ten Frie­den gelten.

Stärkung und Reform der Vereinten Nationen

Die inter­na­tio­na­le Gemein­schaft ruht in struk­tu­rel­ler und orga­ni­sa­to­ri­scher Hin­sicht auf dem Sys­tem der Ver­ein­ten Natio­nen. Die katho­li­sche Kir­che und ihr Lehr­amt haben seit dem Beginn des 20. Jahr­hun­derts unbe­irrt den Auf- und Aus­bau die­ses wich­ti­gen Organs der Völ­ker­ge­mein­schaft gefor­dert (z.B. eine inter­na­tio­na­le Schieds­ge­richts­bar­keit und einen Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof). Dem ent­spre­chen die For­de­run­gen, dass Ent­schei­dun­gen über Mili­tär­ein­sät­ze auch im Rah­men der inter­na­tio­na­len Schutz­ver­ant­wor­tung allein dem Sicher­heits­rat vor­be­hal­ten sein soll­ten. Dabei soll­ten jene Kri­te­ri­en beach­tet wer­den, die auch schon die tra­di­tio­nel­le Leh­re bei der Anwen­dung staat­li­cher Gewalt ein­ge­for­dert hat, vor allem die Not­wen­dig­keit einer legi­ti­men Auto­ri­tät (= UN-Sicherheitsrat), gerech­ter Grund (= schwers­te Men­schen­rechts­ver­bre­chen sys­te­ma­ti­scher Art), Ver­hält­nis­mä­ßig­keit der Mit­tel, ange­mes­se­ne Erfolgs­aus­sich­ten und Aus­schöp­fung aller nicht-militärischen Einflussmöglichkeiten.

Mit Rück­sicht auf die ent­schei­den­de Rol­le des Sicher­heits­ra­tes scha­det es dem Anse­hen und der Glaub­wür­dig­keit der Ver­ein­ten Natio­nen, wenn er von den poli­ti­schen Inter­es­sen ein­zel­ner Staa­ten beherrscht wird, die not­wen­di­ge Ent­schei­dun­gen wegen der erfor­der­li­chen Ein­stim­mig­keit blo­ckie­ren kön­nen und das auch tun, wenn es ihnen oppor­tun erscheint. Es soll­te des­halb öfter als bis­her die Mög­lich­keit genutzt wer­den, in Fäl­len der Ent­schei­dungs­un­fä­hig­keit des Sicher­heits­ra­tes die Ange­le­gen­heit in der Voll­ver­samm­lung zu behan­deln und zu ent­schei­den. Die längst über­fäl­li­gen und immer wie­der ver­geb­lich ange­mahn­ten Refor­men der UN und des Sicher­heits­ra­tes müs­sen hart­nä­ckig ein­ge­for­dert wer­den, um dem Ein­druck und Ver­dacht ent­ge­gen­zu­wir­ken, die­se Insti­tu­tio­nen dien­ten ledig­lich den impe­ria­len und hege­mo­nia­len Macht­in­ter­es­sen der Groß­mäch­te. Nur dann kann es auch gelin­gen, die inter­na­tio­na­le Schutz­ver­ant­wor­tung ihrer­seits davor zu schüt­zen, als Deck­man­tel einer Inter­ven­ti­ons­po­li­tik miss­braucht zu wer­den, die in Wahr­heit ande­re Zie­le ver­folgt als den Schutz gefähr­de­ter Menschen.

Die Ver­ein­ten Natio­nen sind ganz gewiss ein mit Feh­lern und Män­geln behaf­te­tes und belas­te­tes Organ der Völ­ker­ge­mein­schaft. Aber sie sind das Ergeb­nis einer aus furcht­ba­ren Gräu­eln erwach­se­nen ehr­li­chen Anstren­gung, die Welt fried­li­cher und men­schen­wür­di­ger zu machen. Die Wer­te und Prin­zi­pi­en, denen sie sich ver­pflich­tet weiß, sind noch immer aller Mühen wert. Ihre Schwä­chen und Feh­ler müs­sen kri­ti­siert wer­den, dür­fen aber nicht gegen sie aus­ge­spielt werden.

Die internationale Schutzverantwortung – ein Schritt auf dem Lernweg zur Friedensordnung

Die Idee der inter­na­tio­na­len Schutz­ver­ant­wor­tung mar­kiert einen hoch­be­deut­sa­men Schritt auf dem müh­sa­men Lern­weg der Staaten- und Völ­ker­ge­mein­schaft, denn sie nötigt dazu, die Pro­ble­ma­tik von Sicher­heit und Frie­den nicht allein vom Staat her zu betrach­ten, son­dern in ers­ter Linie aus der Per­spek­ti­ve der Opfer schwers­ter Ver­bre­chen gegen die Mensch­lich­keit. Dazu gehört es, sich im Den­ken und in der Pra­xis davon zu lösen, Stö­run­gen des inter­na­tio­na­len Frie­dens vor­ran­gig mit Pro­ble­men staat­li­cher Sicher­heit gleich­zu­set­zen, und dem­ge­gen­über die Sicher­heit bedroh­ter Men­schen in den Vor­der­grund zu stel­len. Ein sol­cher Bewusst­seins­wan­del löst kei­nes­wegs alle Pro­ble­me, son­dern wirft auch neue Fra­gen auf. Zum Bei­spiel ist eine offe­ne Fra­ge, ob es im Inter­es­se des Men­schen­rechts­schut­zes legi­tim ist oder sein kann, durch mili­tä­ri­sches Ein­grei­fen einen Regime­wech­sel anzu­stre­ben oder zu erzwin­gen. Die Gefahr des Miss­brauchs kann und darf nie­mand leug­nen, doch ist ihr nicht durch eine Blo­cka­de­hal­tung zu begeg­nen, son­dern mit den Mit­teln des Rechts und gemein­sam akzep­tier­ter Regeln.

Frie­dens­po­li­tik bleibt eine schwie­ri­ge Auf­ga­be, die lan­gen Atem erfor­dert. Die wach­sen­de Zustim­mung zur Idee inter­na­tio­na­ler Schutz­ver­ant­wor­tung und ihr oft unspektakulä- rer Ein­fluss auf die inter­na­tio­na­le Öffent­lich­keit und das Ver­hal­ten der Staa­ten bewei­sen, dass beharr­li­cher Ein­satz lohnt. Ein gerech­ter Frie­de ist auch in der Welt­po­li­tik kei­ne Illu­si­on, son­dern eine Hoff­nung, die sol­ches Enga­ge­ment über Nie­der­la­gen hin­weg trägt, ihm Aus­dau­er und Per­spek­ti­ve gibt und es ent­täu­schungs­fest macht.