Prof. Dr. Justenhovens Stellungnahme: „Welche Reaktionen auf die Terroranschläge in Paris sind angemessen? Erste ethische Überlegungen“ Welche Reaktionen auf die Terroranschläge von Paris sind angemessen? Erste ethische Überlegungen von Prof. Dr. Heinz-Gerhard Justenhoven 1. Die Rede von einem „Krieg“ gegen die westliche Welt, gegen uns etc. legt nahe, dass daraus entsprechend d.h. auch mit Krieg reagiert werden muss. Diese Reaktionen erinnern in fataler Weise an die gleichen Reaktionen auf die 9/11 -Anschläge in USA, die zu dem Krieg in Afghanistan geführt haben. Dieser Krieg hat weder den islamistischen Terrorismus besiegt noch die Taliban in Afghanistan. 2. Die Terroristen von Paris haben nach bisherigem Wissen in Paris und Brüssel gelebt. Beide Städte haben ein Milieu radikalisierter, gewaltbereiter Islamisten, in dem junge Männer sich in einer Weise radikalisieren konnten, dass sie zu solch extremer Gewalt gegen Unschuldige gegriffen haben. Der notwendige Kampf gegen den Terrorismus muss zuerst auf dieses Milieu und seine Ursachen schauen. Im Kern geht es m.E. um die Frage, aus welchen Gründen sich junge Männer am Rande der westlichen Gesellschaften radikalisieren. 3. Bekannt ist, dass eine Kombination aus mangelnder Perspektive für das eigene Leben, Erfahrung der Ausgrenzung aus der Gesellschaft, Suche nach Identität und die Begegnung mit extremistischem Islam, insbesondere Hasspredigern, die offenkundig in Moschen in Europa relativ ungehindert auftreten können, zu Radikalisierung am Rande westlicher Gesellschaften führt. Ein Kampf gegen Terrorismus und der Schutz der westlichen Gesellschaft und ihrer Werte müssen an diesen Ursachen ansetzen. 4. Der Schutz vor bereits radikalisierten Islamisten, die in unseren Gesellschaften leben, obliegt den Geheimdiensten und der Polizei und liegt nicht in militärischen Maßnahmen. Eine Beteiligung an oder Verstärkung des militärischen Kampfes gegen den IS in Syrien und Irak führt nicht unmittelbar zum Schutz vor Terroristen in Europa. 5. Der Krieg in Afghanistan hält m.E. zwei Lehren bereit: Wenn eine terroristische Organisation (Al Qaida) ihren Glanz verliert, kann eine andere Organisation wie der IS neue Faszination für radikale Islamisten weltweit ausüben. Zweitens lässt sich das politische Problem, das in Afghanistan wie im Irak oder Syrien zur Radikalisierung geführt hat, nicht militärisch lösen. Mit militärischen Mittel kann eine Ausbreitung des IS in weitere Gebiete im günstigsten Fall verhindert werden oder können Minderheiten wie die Jesiden geschützt werden. Das zugrundeliegende Problem der politischen Unterdrückung der Sunniten sowohl in Syrien wie auch im Irak muss politische gelöst werden.